Infothek
Zurück zur ÜbersichtKein Ausschluss einer Kindergeldrückforderung nach Treu und Glauben bei Verletzung der Mitwirkungspflichten
Das Finanzgericht Bremen hatte zu entscheiden, ob der Kindergeldberechtigte einen Anspruch auf Erstattung des zurückgeforderten und zwischenzeitlich von ihm zurückgezahlten Kindergeldes gemäß § 227 Halbsatz 2 AO hat. Ein Antrag auf Erlass einer Kindergeldrückforderung kann infolge sachlicher sowie persönlicher Unbilligkeit infolge unterlassener Mitteilung des Umzugs der Familie in die Türkei unzulässig sein (Az. 2 K 104/23).
Wenn der Kindergeldberechtigte seine steuerlichen Mitwirkungspflichten nach § 68 EStG verletze, seien die Voraussetzungen für einen Erlass nach § 227 AO infolge persönlicher Unbilligkeit nicht erfüllt. Versäumnisse des Steuerpflichtigen während des Aufhebungs-, Rückforderungs- und Rechtsbehelfsverfahrens könnten nicht im Billigkeitswege zu seinen Gunsten korrigiert werden. Denn der Erlass diene nicht dazu, die Folgen schuldhafter Versäumnis von Rechtsbehelfsmöglichkeiten auszugleichen. Im Erlassverfahren sei vielmehr davon auszugehen, dass die Forderung zu Recht festgesetzt worden sei. Bei Einwänden, die die materiell-rechtliche Richtigkeit der Aufhebung einer bestandskräftig gewordenen Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergeldes betreffen, sei ein Erlass aus Billigkeitsgründen nur möglich, wenn die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergeldes offensichtlich und eindeutig falsch seien und dem Kindergeldberechtigten nicht zuzumuten war, sich rechtzeitig gegen die Fehlerhaftigkeit zu wenden. Beide Voraussetzungen müssten kumulativ vorliegen.
Wenn die Kindergeldfestsetzung bestandskräftig aufgehoben wurde, sei die Behörde nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO zur Rückforderung verpflichtet; die Rückforderung stehe nicht im Ermessen der Behörde. Der auch im Steuerrecht zu beachtende Grundsatz von Treu und Glauben stehe dem Kindergeld-Rückforderungsanspruch der Familienkasse nicht entgegen, wenn es an einem Verhalten der Familienkasse fehlt, welches für den Rückforderungsschuldner bei objektiver Auslegung den eindeutigen Schluss zugelassen hätte, dass ihm das zu Unrecht gezahlte Kindergeld endgültig belassen werde. Außerdem könne sich nur derjenige gegenüber der Rückforderung auf Treu und Glauben berufen, der sich selbst rechtstreu verhalten hat, was bei einer vorangegangenen Verletzung der Mitwirkungspflichten (hier: unterlassene Mitteilung des Wegzugs der Familie in die Türkei) nicht der Fall sei. Allerdings sei bei der Frage der sachlichen Unbilligkeit der Geltendmachung der Rückforderungsansprüche der Familienkasse das Verhalten des Kindergeldberechtigten und der Familienkasse zu berücksichtigen. Das Verhalten der Beteiligten sei zu würdigen und gegeneinander abzuwägen. Dabei seien alle für die Abwägung relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Pflichtverletzung, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der Gedanke der Zumutbarkeit zu berücksichtigen. Wenn einerseits kein zögerliches oder fehlerhaftes Verhalten der Familienkasse, das zur Entstehung des Rückforderungsanspruchs beigetragen hat, feststellbar sei und habe andererseits der Kläger eine Mitwirkungspflichtverletzung gemäß § 68 Abs. 1 EStG zu vertreten, sei es nicht ermessensfehlerhaft, wenn die Familienkasse einen Erstattungsanspruch abgelehnt hat.
Zurück zur ÜbersichtDie Fachnachrichten in der Infothek werden Ihnen von der Redaktion Steuern & Recht der DATEV eG zur Verfügung gestellt.